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Valentina R., lawyer
DE
Nur der deutsche Text ist verfügbar und verbindlich.
In elektronischem Format auf der EUR-Lex Website unter der Dokumentennummer 32009M5508
Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften L-2985 Luxembourg
In der veröffentlichten Version dieser Entscheidung wurden bestimmte Informationen gem. Art. 17 (2) der Ratsverordnung (EG) Nr. 139/2004 über die Nichtveröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Informationen ausgelassen. Die Auslassungen sind durch Klammern […] gekennzeichnet. Soweit möglich wurden die ausgelassenen Informationen durch eine Bandbreite/Bereichsangabe von Zahlen oder eine allgemeine Beschreibung ersetzt.
An die anmeldenden Partei
Sehr geehrte Damen und Herren,
Betrifft: Fall Nr. COMP/M.5508 – SOFFIN/ HYPO REAL ESTATE Anmeldung vom 14. April 2009 gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1139/2004 des Rates ("Fusionskontrollverordnung")
1.Am 14. April 2009 ist die Anmeldung eines Zusammenschlusses gemäß Artikel 4 der Fusionskontrollverordnung bei der Kommission eingegangen. Danach ist Folgendes beabsichtigt: Der von der Bundesrepublik Deutschland kontrollierte Finanzmarktstabilisierungsfonds (allgemein bekannt als "Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung" und nachstehend bezeichnet als "SoFFin", Deutschland), erwirbt im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe (b) der Fusionskontrollverordnung die Kontrolle über das gesamte Unternehmen Hypo Real Estate Holding AG (nachstehend "HRE", Deutschland) im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots, das am 9. April 2009 veröffentlicht wurde.
1ABl. L 24 vom 29.1.2004, S.1.
Commission européenne, B-1049 Bruxelles / Europese Commissie, B-1049 Brussel - Belgium. Telephone: (32-2) 299 11 11.
Die Parteien
2.Am 17. Oktober 2008 verabschiedete die Bundesrepublik Deutschland das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (nachstehend "FMStG"), das den Zweck hat, die Finanzmärkte in der derzeitigen wirtschaftlichen Krise zu stabilisieren. Durch dieselbe Maßnahme wurde SoFFin, der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, als staatliches Interventionsmittel zur Abwendung der Folgen der derzeitigen Finanzkrise und zur Stabilisierung des Finanzsystems in Deutschland eingerichtet. Zu diesem Zweck ist SoFFin befugt, Maßnahmen zu ergreifen, um Finanzinstitute bei der Überwindung von Liquiditätsengpässen und bei der Stärkung ihrer Kapitalgrundlage zu unterstützen. Diese Maßnahmen umfassen auch den Erwerb von Anteilen an einzelnen Finanzinstituten durch SoFFin, einschließlich Beteiligungen, die Kontrolle im Sinne der Fusionskontrollverordnung vermitteln. SoFFin wird von der Finanzmarktstabilisierungsanstalt verwaltet.
3.HRE ist die Holdinggesellschaft der HRE Group, eines Finanzinstituts mit Sitz in Deutschland. HRE ist hauptsächlich tätig im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung, der Finanzierung von Aktivitäten im öffentlichen Sektor (einschließlich staatlicher Infrastruktur und sog. Asset-based Finanzierungen), daneben im Bereich der Kapitalmarktanlagen und der Vermögensverwaltung. Zur eigenen Refinanzierung ist HRE darüber hinaus befugt zur Ausgabe von Pfandbriefen und in diesem Bereich auch tätig.
Der SoFFin hat ein öffentliches Übernahmeangebot zum Erwerb aller Anteile an HRE abgegeben. Sollte das Übernahmeangebot erfolglos bleiben, besteht als Alternative die Möglichkeit des gesetzlichen Erwerbs aller Anteile durch Verstaatlichung. SoFFin hat durch das Übernahmeangebot 38,65% der Anteile an HRE erworben. Da sich 8,65% bereits zuvor in seinem Besitz befanden, beträgt der Anteil nunmehr 47,31%. Die Anwesenheitsrate bei den Vollversammlungen in den letzten drei Jahren betrug 40% im Jahr 2006, 55% im Jahr 2007 und 50% im Jahr 2008. Aufgrund dieser Anwesenheitsraten hat SoFFin die faktische Kontrolle über HRE erworben. SoFFin wird nach der Transaktion bei der Ausübung seiner Stimmrechte bezüglich der HRE keinerlei Einschränkungen unterliegen. Unabhängig von seiner genauen endgültigen Struktur wird der beabsichtigte Zusammenschluss es SoFFin daher ermöglichen, die alleinige Kontrolle über HRE zu erlangen. Das Vorhaben stellt somit einen Zusammenschluss im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe (b) der Fusionskontrollverordnung dar.
Feststellung der Zuständigkeit der Kommission - Berechnung der relevanten Umsätze anhand von wirtschaftlichen Einheiten mit autonomer Entscheidungsbefugnis
Im vorliegenden Fall folgt die Kommission einem zweistufigen Ansatz, um zu bestimmen, ob der Erwerb der Kontrolle über HRE durch den Bund mittels SoFFin nach der Fusionskontrollverordnung anmeldepflichtig ist. Dieser Ansatz besteht darin, (i) zu klären, ob HRE auch nach dem Zusammenschluss eine wirtschaftliche Einheit mit autonomer
2 Entscheidungsbefugnis bilden wird; (ii) falls dies nicht offenkundig der Fall ist, zu klären, welche die letztlich erwerbende Einheit ist (SoFFin oder die Einheit, durch die SoFFin letztlich kontrolliert wird, falls SoFFin selbst keine autonome Entscheidungsbefugnis besitzt) und welche anderen Unternehmen unter der Kontrolle der letztlich erwerbenden Einheit bei der Berechnung der relevanten Umsatzes zu berücksichtigen sind.
Feststellung der Zuständigkeit der Kommission – Beurteilung der autonomen Entscheidungsbefugnis HREs nach dem Zusammenschluss
SoFFin wird die alleinige Kontrolle über HRE erwerben und es wird weder einen Beteiligungsvertrag, noch besondere Vorkehrungen oder sonstige Schutzmechanismen geben, die sicherstellen würden, dass HRE seine autonome Entscheidungsbefugnis beibehält. Es gibt keine Regelungen dahin, dass HRE auch im Staatsbesitz autonom und unabhängig von SoFFin oder von der Einheit, durch die SoFFin letztlich kontrolliert wird, über Strategie, Geschäftsplan und Budget entscheiden wird. In der Folge wird HRE nach dem Zusammenschluss einer Koordinierung des Geschäftsverhaltens unterliegen und keine wirtschaftliche Einheit mit autonomer Entscheidungsbefugnis im Sinne der Fusionskontrollverordnung bilden.
Feststellung der Zuständigkeit der Kommission – Beurteilung der autonomen Entscheidungsbefugnis SoFFins nach dem Zusammenschluss
Da HRE nach dem Zusammenschluss keine autonome Entscheidungsbefugnis mehr besitzt, ist es erforderlich, dass die Kommission die letztlich erwerbende Einheit identifiziert und bestimmt, ob es andere Unternehmen gibt, die von dieser Einheit kontrolliert werden (direkt oder indirekt, allein oder gemeinsam). Andere Unternehmen, die im Sinne der Fusionskontrollverordnung von dieser letztlich erwerbenden Einheit kontrolliert werden, könnten einer Koordinierung mit HRE unterliegen und daher bei der Berechnung des relevanten Umsatzes zu berücksichtigen sein.
Da keine besonderen Beteiligungsvereinbarungen greifen, welche die autonome Entscheidungsbefugnis der von SoFFin im Sinne der Fusionskontrollverordnung kontrollierten Banken sicherstellen würden, ist SoFFin der Ausgangspunkt dieser Beurteilung. Die Kommission muss daher feststellen, ob SoFFin eine wirtschaftliche Einheit mit autonomer Entscheidungsbefugnis bildet oder ob das wirkliche Entscheidungszentrum bei einer staatlichen Einheit auf einer höheren Ebene als SoFFin liegt.
SoFFin wurde zu dem Zweck eingerichtet, Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsystems in Deutschland auszuführen. Die Bundesregierung hat eine Kontrollstruktur vorgesehen, nach der die Aufgabe der Leitung SoFFins auf die Finanzmarktstabilisierungsanstalt (nachstehend "die Anstalt") übertragen ist. Diese öffentlich-rechtliche Anstalt ist selbst keine unabhängige Rechtsperson und angesiedelt bei der Deutschen Bundesbank, von dieser jedoch organisatorisch getrennt.
2 Rz. 22 der Fusionskontrollverordnung: Rz 22 der Fusionskontrollverordnung stellt deutlich heraus, dass nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor "unabhängig von den Eigentumsverhältnissen oder von den für sie geltenden Regeln der verwaltungsmäßigen Zuordnung die Unternehmen zu berücksichtigen [sind], die eine mit einer autonomen Entscheidungsbefugnis ausgestattete wirtschaftliche Einheit bilden", um festzustellen, welche der staatlich kontrollierten Unternehmen bei der Begründung der Zuständigkeit nach der Fusionskontrollverordnung einzubeziehen sind.
10.Die Anstalt selbst wird zwar geleitet vom "Leitungsausschuss", einem Gremium, das aus drei vom Bundesministerium für Finanzen (nachstehend "BMF") in Abstimmung mit der Deutschen Bundesbank berufenen Mitgliedern besteht. Soweit es jedoch um allgemeine Grundsätze, besonders wichtige Angelegenheiten oder Entscheidungen über beträchtliche Verpflichtungen geht soll statt der Anstalt/des Leitungsausschusses ein interministerielles Gremium, der "Lenkungsausschuss", über einen Antrag des Leitungsausschusses entscheiden. Der Lenkungsausschuss wiederum besteht aus mehreren Vertretern der Bundesregierung und einem Vertreter der Bundesstaaten.
11.Die Anstalt selbst ist darüber hinaus an die Weisungen und Entscheidungen des BMF oder des Lenkungsausschusses gebunden.
12.Unabhängig von der exakten Aufgabenverteilung zwischen SoFFin und der Anstalt und ungeachtet der genauen organisatorischen Struktur der Leitung SoFFins und der Anstalt sind jedoch sowohl SoFFin, als auch die Anstalt einer rechtlichen und fachlichen Aufsicht durch das BMF unterworfen. Diese umfasst nicht nur die Aufsicht über SoFFin und die Anstalt durch das BMF in jeglicher rechtlicher Hinsicht, sondern auch hinsichtlich der Zweckmäßigkeit ihrer Maßnahmen.
13.Zusätzlich zu seinen Aufsichtsrechten ist das BMF befugt, auf Grundlage des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (nachstehend "FmStFG") und der Finanzmarktstabilisierungsfondsverordnung (nachstehend "FMStFV") Entscheidungen im Allgemeinen oder in Einzelfällen an Stelle der Anstalt zu treffen. Mit anderen Worten kann das BMF auf seine eigene Initiative hin SoFFin oder die Anstalt in ihren Entscheidungen ersetzen.
14.Weiterhin gewährt die FMStFV dem BMF eine Reihe von Rechten, die ein Weisungsrecht des BMF gegenüber SoFFin oder der Anstalt im allgemeinen oder in Einzelfällen umfassen, während der Lenkungsausschuss diese Rechte nicht besitzt.
15.Angesichts dessen ist die Kommission der Auffassung, dass weder SoFFin, noch die Anstalt, der Leitungsausschuss, der Lenkungsausschuss oder das Kontrollgremium bezüglich des Finanzmarktstabilisierungsfonds eine wirtschaftliche Einheit mit autonomer Entscheidungsbefugnis bilden. Demgegenüber zieht die Kommission die Schlussfolgerung, dass der Einfluss des BMF ausreicht, um das Verhalten SoFFins oder der Anstalt zu bestimmen.
16. Ausgangspunkt der weiteren Beurteilung der Zuständigkeit der Kommission hinsichtlich des Zusammenschlussvorhabens ist daher das BMF als Teil der Bundesregierung. Ob dabei das BMF, die Bundesregierung insgesamt oder der Bund die einschlägige wirtschaftliche Einheit darstellen, muss im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, da selbst unter der Annahme, dass der Bund als einschlägige Ebene zu betrachten ist, keine Wettbewerbsprobleme aufkommen.
Feststellung der Zuständigkeit der Kommission – Beurteilung des BMF
17. Aus den obigen Erwägungen folgt, dass die weitere Beurteilung der Zuständigkeit der Kommission für das Zusammenschlussvorhaben von dem BMF als gegenüber SoFFin/der Anstalt vorgelagertem Ausgangspunkt auszugehen hat.
18. Das BMF beaufsichtigt, unter anderem, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (nachstehend "KfW"). Was die Beteiligungsverhältnisse an KfW anbetrifft, werden 80% der Anteile an
3 § 1 (3) Nr. 3 FMStFV.
4 § 1 (3) FMStFV.
4. der KfW vom Bund, 20% von den Bundesländern (nachstehend "Länder") gehalten. Aus Sicht der anmeldenden Partei kontrolliert die Bundesrepublik Deutschland die KfW.
19. Die KfW ist eine öffentlich-rechtliche Bank mit Sitz in Deutschland, die Finanzdienstleistungen für eine Vielfalt von Projekten erbringt, die als gemeinnützig angesehen werden. Entsprechend vorherigen Entscheidungen über staatliche Beihilfen bezogen auf Art. 86 EG wird die KfW als Unternehmen angesehen. Die KfW ist auch tätig im Bereich der direkten Kreditvergabe an gewerbliche Unternehmen im privaten Sektor. Die KfW nimmt beispielsweise an Bankenkonsortien zur allgemeinen Unternehmensfinanzierung oder Akquisitionsfinanzierung für Unternehmen im privaten Sektor Teil. Dabei beteiligt sich die KfW zu […] zu den gleichen Konditionen wie die anderen Banken des Konsortiums an der Gesamtfinanzierung. Die KfW ist daher in bestimmten Finanzdienstleistungsmärkten für Kunden in Deutschland tätig. Hinzu kommt, dass die KfW durch ihr 100%-iges Tochterunternehmen, IPEX-Bank GmbH, mit kommerziellen Banken auf bestimmten Finanzdienstleistungsmärkten im Wettbewerb steht, etwa im Bereich der Projekt- und Exportfinanzierung.
20. Unabhängig von der Unternehmensführung der KfW ist das BMF gemäß § 12 (1) KfWG ermächtigt, die Aufsicht über die KfW im Benehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auszuüben. Als Aufsichtsbehörde ist das BMF befugt, alle Anordnungen zu treffen, um den Geschäftsbetrieb der KfW mit den Gesetzen, der Satzung und sonstigen Bestimmungen im Einklang zu halten. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass das BMF ein weitreichendes Aufsichtsrecht über die Gesamtheit der Aktivitäten der KfW hat. Hinzu kommt, dass nach § 8 (2) KfWG der Verwaltungsrat Satzungsänderungen zwar beschließen kann, diese jedoch der Genehmigung des BMF in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde der KfW bedürfen.
21. Gemäß § 1a KfWG haftet der Bund im Wesentlichen für sämtliche Verbindlichkeiten der KfW. Nach § 2 (4) KfWG ist die Bundesregierung außerdem befugt, gewisse Tätigkeitsbeschränkungen der KfW außer Kraft zu setzen (z.B. die Hereinnahme von Depositen, das Kontokorrentgeschäft und der Effektenhandel für fremde Rechnung). Dies bedeutet, dass die Bundesregierung dazu ermächtigt ist, der KfW bestimmte Aktivitäten zuzuweisen, wenn daran nach ihrer Auffassung ein staatliches Interesse besteht.
22. Mit Blick auf die Unternehmensführung der KfW sind gemäß § 5 (1) KfWG die leitenden Organe der KfW der Vorstand und der Verwaltungsrat.
23. Der Vorstand ist zuständig für die Geschäftsleitung, während der Verwaltungsrat die Vorstandsmitglieder ernennt und abberuft und die Geschäftstätigkeit der KfW überwacht. Der Verwaltungsrat hat die Möglichkeit, dem Vorstand allgemeine oder Einzelweisungen zu erteilen. Der Verwaltungsrat besteht aus 39 Mitgliedern und entscheidet grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit. Im Falle der Stimmengleichheit ist die Stimme des Vorsitzenden ausschlaggebend. Die Bundesregierung ist mit neun Mitgliedern vertreten, darunter der Bundesminister der Finanzen. Der Bundesminister der Finanzen hat abwechselnd die Stellung des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrats inne. Darüber hinaus ernennt die Bundesregierung 16 weitere Mitglieder des Verwaltungsrats.
5 Beihilfenentscheidungen der Kommission Nr. E10/2000 vom 8. Mai 2001 und vom 27. März 2002.
6 § 7 KfWG.
24. Aufgrund der weitreichenden Aufsichtsrechte des BMF kann die KfW nicht als wirtschaftliche Einheit mit autonomer Entscheidungsbefugnis angesehen werden. Außerdem übt die Bundesregierung, insbesondere durch das BMF, erheblichen Einfluss auf den Verwaltungsrat der KfW aus. Zusammenfassend reicht der Einfluss des BMF aus, das Geschäftsverhalten der KfW zu bestimmen. Wenngleich die Parteien vortragen, dass die Geschäfte des SoFFins und der KfW durch unterschiedliche Abteilungen des BMF verwaltet werden, kann eine Koordinierung zumindest auf Ebene der Staatssekretäre und darüber nicht ausgeschlossen werden. Es kann daher nicht gefolgert werden, dass die KfW und SoFFin durch das BMF faktisch getrennt verwaltet werden.
25. Für die Feststellung der Zuständigkeit im vorliegenden Fall ist es ausreichend, die Umsätze der KfW auf der Ebene des BMF einzubeziehen, um die Umsatzschwellenwerte zu erreichen und zu folgern, dass der Zusammenschluss eine gemeinschaftsweite Bedeutung hat. Es kann daher offen gelassen werden, ob die einschlägige wirtschaftliche Einheit mit autonomer Entscheidungsbefugnis auf der Ebene des BMF oder auf einer höheren Ebene wie der Bundesregierung oder des Bundes anzusiedeln ist.
II. GEMEINSCHAFTSWEITE BEDEUTUNG
26. Im Lichte der obigen Erwägungen haben die beteiligten Unternehmen einen weltweiten Gesamtumsatz im Jahr 2008 von mehr als EUR 5 Mrd. (HRE: […] Bund (unter Berücksichtigung nur der KfW): […]). Jedes der beteiligten Unternehmen hat einen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von jeweils mehr als EUR 250 Mio. im Jahr 2008 (HRE: […] Bund (unter Berücksichtigung nur der KfW): […] Mrd.). Weder HRE, noch die KfW erzielten mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedsstaat.
27. Der angemeldete Zusammenschluss hat daher eine gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne von Artikel 1 (2) der Fusionskontrollverordnung.
III. WETTBEWERBLICHE BEURTEILUNG
A. Sachlich und räumlich relevante Märkte
28. HRE und die KfW sind im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung, der Staatsfinanzierung einschließlich der Finanzierung von Infrastruktur wie Öffentlich-Privaten Partnerschaften und im Bereich der Ausgabe von Pfandbriefen ("Pfandbriefgeschäft") tätig. Das BMF, die Bundesregierung und der Bund kontrollieren keine anderen Unternehmen, die in diesen Bereichen aktiv sind, so dass zu keinen horizontalen Überschneidungen kommt.
Gewerbliche Immobilienfinanzierung
29. Gewerbliche Immobilienfinanzierung umfasst die Finanzierung gewerblich genutzten Immobilienvermögens.
7 Die übrigen Mitglieder werden von den beiden Kammern des deutschen Parlaments ernannt, d.h. sieben Mitglieder durch den Bundestag und sieben Mitglieder durch den Bundesrat.
8 Die Umsatzberechnung erfolgte auf der Grundlage von Artikel 5 (1) der Fusionskontrollverordnung und der Bekanntmachung der Kommission über die Berechnung des Umsatzes (ABl. C 66 vom 2.3.1998, S.25).
30. Die Parteien sind der Auffassung, dass die gewerbliche Immobilienfinanzierung einen separaten sachlichen Markt bildet.
31. In einem früheren Fall hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die gewerbliche Immobilienfinanzierung einen Teilmarkt der Bankdienstleistungen an Unternehmen darstellen könnte, ohne über die sachliche Marktabgrenzung abschließend zu entscheiden. Das Bundeskartellamt hat die Märkte für Immobilienfinanzierungen wie folgt unterteilt: (i) Finanzierung des Wohnungsbaus privater Personen; (ii) Finanzierung des Wohnungsbaus von Unternehmen und (iii) Finanzierung gewerblicher Immobilien.
32. Die Parteien sind der Auffassung, dass der räumliche Markt für gewerbliche Immobilienfinanzierung EWR-weit ist.
33. In einer vorherigen Entscheidung hat die Kommission getrennte sachlich relevante Märkte für Bankdienstleistungen an kleine und mittlere Unternehmen ("KMU") und für Großunternehmen (sog. Large Corporate Customers, "LCC") angenommen. In vorausgegangenen Entscheidungen hat die Kommission darauf hingewiesen, dass der räumlich relevante Markt für Bankdienstleistungen an KMU national ist, ohne zu verkennen, dass bestimmte Bankdienstleistungen an Unternehmen eine auffällige internationale Dimension aufweisen, insbesondere für Großkunden. Dementsprechend hat sie die geographische Ausdehnung des Marktes für Dienstleistungen an LCC offen gelassen.
34. Für die Zwecke des vorliegenden Falles kann die Definition des relevanten Marktes dahingestellt bleiben.
Staatsfinanzierung
35. Staatsfinanzierung umfasst das Kreditgeschäft mit in- und auch ausländischen staatlichen Stellen einschließlich der Finanzierung von Infrastruktur.
40. Pfandbriefe werden von Banken mit einer Ausgabelizenz emittiert und auf den Kapitalmärkten platziert. Sie dienen der Refinanzierung der emittierenden Bank.
41. In einer vorherigen Entscheidung hat die Kommission offen gelassen, ob der Markt für die Ausgabe von Pfandbriefen (Jumbo-Pfandbriefe nach deutschem Recht) einen separaten sachlich relevanten Markt bildet. Das Bundeskartellamt hat in einer Entscheidung festgestellt, dass es einen einheitlichen Markt für öffentliche Pfandbriefe und Hypothekenpfandbriefe gibt, da diese austauschbar seien. Beide Entscheidungen ließen dahingestellt, ob der Markt für sog. Jumbo-Pfandbriefe (Volumen von mindestens EUR 1 Mrd.) und der Markt für Pfandbriefe mit geringerem Volumen jeweils getrennte Märkte bilden.
42. Aus Sicht der Parteien ist der räumlich relevante Markt für Pfandbriefe mindestens EWR-weit.
43. Die Kommission hat die Definition des räumlich relevanten Marktes in einer vorherigen Entscheidung offen gelassen.
44. Für die Zwecke des vorliegenden Falles kann die Definition des relevanten Marktes offen bleiben.
B. Beurteilung
45. Das Zusammenschlussvorhaben führt nicht zu betroffenen Märkten und unterfällt grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Absatzes 5 (c) der Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse gemäß der Fusionskontrollverordnung.
46. Die Aktivitäten der HRE und der KfW, hauptsächlich durch ihr Tochterunternehmen IPEX, überschneiden sich horizontal in den Bereichen der gewerblichen Immobilienfinanzierung, der Staatsfinanzierung und der Refinanzierung durch Pfandbriefe. Allerdings sind in horizontaler Hinsicht keine Märkte betroffenen.
17 Bundeskartellamt, Beschluss vom 19. Juni 2002 (B4-37/02), S. 11.
18 Case COMP/M.2400 – Dexia/Artesia, Entscheidung vom 14. Juni 2001, Rz. 12.
19 ABL. C 56, 05.3.2005, p. 32.
Gewerbliche Immobilienfinanzierung
47. Hinsichtlich der gesamten gewerblichen Immobilienfinanzierung in Deutschland läge der gemeinsame Marktanteil der Parteien um [10-20] % (HRE: [10-20] %, IPEX: unter [0-5] %). In einem europäischen Markt wäre der gemeinsame Marktanteil der Parteien erheblich niedriger und läge unter [0-5] %. Unter Berücksichtigung des geringern Neugeschäfts im Jahr 2008, läge der gemeinsame Marktanteil der Beteiligten um [5-10] % (HRE: [5-10] %, IPEX: unter [0-5] %) in Deutschland and unter [0-5] % in Europa.
48. Die Parteien betonen, dass HRE und IPEX im Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung keine nahen Wettbewerber sind. HRE ist hauptsächlich tätig im Bereich der Finanzstrukturierung, d.h. insbesondere im Bereich der Projektstrukturierung während IPEX Tätigkeit sich auf die Übernahmen von Finanzierungstranchen beschränkt, d.h. auf eine teilweise Finanzierung, bei der die Strukturierung der Finanzierung in der Hand anderer Banken liegt.
49. Angesichts der niedrigen Marktanteile der Parteien, insbesondere des geringen Zuwachses und der Tatsache, dass die Parteien keine nahen Wettbewerber sind, kann geschlussfolgert werden, dass der Zusammenschluss nicht zu einer spürbaren Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil davon führen wird.
Staatsfinanzierung
50. Die Tätigkeiten der Parteien überschneiden sich nur bezüglich der sog. kommunalnahen Finanzierungen. In geographischer Hinsicht überschneiden sich die Tätigkeiten der Parteien nur in Deutschland, wo der gemeinsame Marktanteil unter [0-5] % liegt. Nach den Schätzungen der Parteien läge der gemeinsame Marktanteil in einem europäischen Markt nicht wesentlich höher, da IPEX nur in Deutschland und HRE nicht in allen Mitgliedstaaten aktiv ist. Der gemeinsame Marktanteil der Parteien läge in jedem Fall unter 15%.
51. Die Parteien betonen, dass HRE und IPEX in räumlicher Hinsicht keine nahen Wettbewerber sind. HRE konzentriert sich auf finanziell starke Märkte in Westeuropa und den USA, während IPEX hauptsächlich in Schwellenmärkten und in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern tätig ist. Aus diesem Grund überschneiden sich ihre Tätigkeiten innerhalb der EU nur in Deutschland.
52. Aufgrund der niedrigen Marktanteile der Parteien und der Tatsache, dass diese keine nahen Wettbewerber sind, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass gegen das Zusammenschlussvorhaben keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken bezüglich der Staatsfinanzierung bestehen.
53. Geht man von einem separaten sachlichen Markt für die Finanzierung von Infrastruktur aus, läge der gemeinsame Marktanteil der Parteien in einem europäischen Markt um [0-5] % (IPEX: [0-5] %, HRE: [0-5] %). Es kann davon ausgegangen werden, dass der gemeinsame Marktanteil der Parteien in den einzelnen Mitgliedstaaten, in denen sie tätig sind, unter 15% läge.
54. Die Parteien weisen darauf hin, dass HRE die Aufgabe dieses Geschäfts in den nächsten Jahren beabsichtigt. HRE wird im Neugeschäft der Finanzierung von Infrastruktur nicht mehr tätig sein. HRE schließt in diesem Bereich keine neuen Verträge ab.
55. Angesichts des niedrigen gemeinsamen Marktanteils und der Tatsache, dass HRE gegenwärtig und zukünftig nicht im Neugeschäft tätig ist, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das Zusammenschlussvorhaben keinen Anlass zu wettbewerblichen Bedenken in Bezug auf die Finanzierung von Infrastruktur führt.
Pfandbriefe
56. HRE, insbesondere die Depfa-Gruppe, emittieren Pfandbriefe. Die KfW emittiert selbst keine Pfandbriefe, aber hält solche innerhalb ihrer Refinanzierung und der Vermögensverwaltung. Die KfW (einschließlich IPEX) hat ein Volumen von EUR […] in HRE-Pfandbriefe investiert. Im Verhältnis zu den Gesamtinvestitionen der KfW sind dies lediglich [0-5] %.
57. Angesichts der Tatsache, dass die KfW selbst keine Pfandbriefe emmittiert und dass das Halten von Pfandbriefen nur einen marginalen Teil der Gesamtinvestitionen der KfW ausmacht, gibt es keine Überschneidung. Die Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass gegen das Zusammenschlussvorhaben keine wettbewerblichen Bedenken im Hinblick auf die Ausgabe von Pfandbriefen bestehen.
C. Vertikale Auswirkungen
58. Auch in vertikaler Hinsicht sind keine Märkte betroffen.
59. Zu einem gewissen Grad existiert ein Durchleitungsgeschäft zwischen HRE und der KfW, das hauptsächlich die Finanzierung von Wohnimmobilien betrifft. Der Anteil der HRE im Verhältnis zum gesamten Abtretungsgeschäft der KfW beträgt nur [0-5] %.
60. Die KfW betreibt Plattformen im Bereich der Verbriefung von Rechten (sog. "Securitization"), insbesondere die Plattform PROMISE/PROVIDE, die auch von HRE verwendet wird. Die Parteien geben an, dass zwischen HRE und KfW im Jahr 2008 […].
61. In vertikaler Hinsicht bestehen keine betroffenen Märkte im Verhältnis zwischen HRE und weiteren Unternehmen, die durch die Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Fusionskontrollverordnung kontrolliert werden. Die einzigen Unternehmen, die - zumindest theoretisch – gewerbliche Beziehungen zu HRE unterhalten, sind […].
62. Zwischen HRE und […] gibt es lediglich eine historische Beziehung aufgrund einer langfristigen Finanzierungsvereinbarung, […]. Gegenwärtig besteht keine Nachfrage der […] oder ihrer Tochterunternehmen nach Immobilienfinanzierungen. Zwischen HRE und […] gab es im Jahr 2008 keine neuen Geschäftsverbindungen. In jedem Fall stellt die Finanzierung gewerblicher Immobilien kein wichtiges Einsatzmittel für die […] dar. In Anbetracht der Geschäftsstrategie und Kostenstruktur der […] wäre eine vertikale Beziehung zu HRE nicht wesentlich für die […].
63. Auch zwischen HRE und […] besteht nur eine historische Beziehung. Gegenwärtig besteht kaum eine Nachfrage der […] oder ihrer Tochterunternehmen nach Immobilienfinanzierungen. Zwischen HRE und […] gab es im Jahr 2008 keine neuen Geschäftsbeziehungen. In jedem Fall stellt die Finanzierung gewerblicher Immobilien kein wichtiges Einsatzmittel für die […] dar. In Anbetracht der Geschäftsstrategie der […] und ihrer Kostenstruktur wäre eine vertikale Beziehung zu HRE hinsichtlich der gewerblichen Immobilienfinanzierung für […] nicht wesentlich.
64. […] ist im Bereich der Vermietung, Verwaltung und Entwicklung sowie im Bereich des Kaufs und Verkaufs gewerblicher und Wohnimmobilien tätig. Im Jahr 2008 gab es keine neuen Geschäftsbeziehungen zwischen […] und HRE. Darüber hinaus ist […] im Bereich gewerblicher Immobilen ein kleiner Marktteilnehmer und ihre Investitionen in neuen Immobilien sind marginal.
IV. SCHLUSS
65. Aus diesen Gründen hat die Kommission entschieden, den Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und mit dem EWR-Abkommen zu erklären. Diese Entscheidung beruht auf Art. 6(1)(b) der Fusionskontrollverordnung.
Für die Kommission (gezeichnet) Lowri Evans Stellvertretende Generaldirektorin für Philip LOWE Generaldirektor
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